Es gibt Entwicklungen, die zwar nicht immer spektakulär sind, aber dafür eine ganze Industrie nachhaltig auf den Kopf stellen können. So geschehen bei der modularen Arbeitsweise von technischen Redakteuren und Übersetzern. Nur wenige haben am Anfang dieser Entwicklung vorausgesagt, dass damit Qualitätsprobleme einhergehen können. Sie haben sich nicht gefragt, wie sich qualitativ gute Dokumentationen aus einem „Patchwork“ von Informationsmodulen und übersetzten Segmenten überhaupt erstellen lassen.
Modulare Arbeitsweise verursacht Qualitätsprobleme
Inzwischen werden allerdings zunehmend Rückmeldungen über Qualitätsprobleme mit gelieferten Dokumentationen wahrgenommen. Obwohl sich der technische Redakteur bei der Verfassung neuer Informationsbausteine viel Mühe gemacht hat und obwohl die letzte Übersetzung perfekt war, kommt ein negatives Feedback des Endkunden. Generell haben die festgestellten Mängel etwas mit der Produktionsweise zu tun:
- Der Informationsgehalt ist nicht immer stimmig. Das betrifft zum einen die Struktur der Informationen. Und zum anderen betrifft dies die Referenzen und Kontextbezüge, die bei „umgebetteten“ Bausteinen manchmal falsch sind.
- Die Terminologie und der Stil sind uneinheitlich.
- Hinzu kommen auch formelle Fehler (Zahlen, Typografie usw.), die sich bei jeder Neuverwendung eines Bausteins fortpflanzen.
Dass es dazu kommt, liegt in der Natur der modularen Arbeitsweise, die übrigens bereits in der Produktentwicklung anfängt. Über Jahre arbeiten mehrere Autoren an der Dokumentation von Maschinen, Produkten, Programmen und beschreiben Funktionen oder Anweisungen, die sich auf ein gerade aktuelles Produkt beziehen. Sie können nicht voraussagen, ob das momentan geschriebene Modul in zwei Jahren immer noch zu dem zu dokumentierenden Produkt passen wird. Bei Übersetzungen ist es ähnlich.
Terminologieaufbau für bessere Inhalte
Nach der Einführung modularer Systeme kommt nun die Ära der Reparatur (und Fehlervorbeugung). Die beeindruckende Popularität der Terminologie in den letzten 2-3 Jahren zeugt davon, dass das Thema Qualität aus guten Gründen nun auf dem Radarbildschirm vieler Verantwortlichen erscheint. Allerdings herrscht eine große Unsicherheit in Bezug darauf, was genau zu prüfen und wie es in einem vertretbaren Zeit- und Kostenrahmen zu tun ist.
Abkehr von der rein manuellen Qualitätssicherung
Qualitätssicherung bleibt in vielen Unternehmen bzw. bei vielen Dienstleistern ein manueller Prozess, der mit Bordmitteln (wie die Rechtschreibprüfung) umgesetzt wird. Das führt beispielsweise speziell bei Übersetzungen dazu, dass viele Prüfungen sehr formell-oberflächlich („Kommafehler“) sind und echte schwere Fehler wie Sinnfehler, Terminologiefehler, Konsistenzfehler ignorieren. Auch liegt der Schwerpunkt der Qualitätssicherung beim aktuellen Text und nicht bei den eingesetzten Arbeitsmitteln wie Translation-Memorys, die ja oft einen großen Teil der Übersetzungen liefern. Wenn die Terminologieprüfung mithilfe der in Translation-Memorys integrierten Funktionen durchgeführt wird, versagt sie oft, weil wichtige Termini nicht erfasst oder Beugungen nicht erkannt wurden. Im Redaktionsbereich ist es nicht viel anders, da verhältnismäßig wenige Firmen leistungsfähige Prüftechnologien einsetzen.
Verfahren für die Qualitätssicherung definieren
Das A und O für eine effiziente Qualitätssicherung sind zuerst klar definierte Prüfabläufe und -vorgaben. Diese dienen nicht nur der Prüfung sondern auch der Vorbeugung. Sie müssen genau festhalten, wo die Zuständigkeiten sind und was, wie oft und womit zu prüfen ist. So macht es für das Erreichen einer hohen Dokumentationsqualität wenig Sinn, nur die 10% Neutext in einer Dokumentation exakt zu prüfen, ohne sich um die übrigen 90% zu kümmern, die aus sehr unterschiedlichen Quellen wiederverwendet werden. Auch wenn diese „mal“ in früheren Jahren geprüft wurden, ändert sich über die Zeit vieles in terminologischer Hinsicht. Es muss daher auch ein Verfahren existieren, das für eine regelmäßige Überprüfung dieser wiederverwendbaren Anteile sorgt, etwa nach dem Vorbild von Inspektionsverfahren bei Flugzeugen, die alle x Flugstunden gewartet werden müssen.
Wenn die Verfahren und Vorgaben stehen, dann ist es auch wichtig, qualitativ gute Arbeitsmittel einzusetzen. Dazu zählt in erster Linie der Terminologiebestand. Ohne hier auf Details eingehen zu wollen, glauben viele Beteiligte, dass sie sich ausruhen können, wenn einmal eine Terminologie erfasst wurde. Terminologen wissen es besser. Terminologiearbeit ist ein fortwährender Prozess. Mit neuen Produkten und Verfahren entstehen neue Begriffe, während andere veralten. Das führt dazu, dass Terminologie in bereits freigegebenen Modulen oder Übersetzungen in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden muss.
Qualitätssicherungsprogramme
Angesichts der Vielzahl von Aspekten, die bei einer ordentlichen Qualitätskontrolle zu berücksichtigen ist, ist diese Aufgabe ohne Softwareunterstützung kaum zu bewältigen. Wie kann ein Lektor in einer annehmbaren Zeit die konsistente Einhaltung von 2.000, 5.000 oder 10.000 Termini in einem Dokument sicherstellen? Wie kann er Typografie, Zahlenformate schnell und vor allem sicher überprüfen? Wie lässt sich beispielsweise in mehreren Dokumenten überprüfen, ob derselbe Satz gleich übersetzt wurde? Wie können bestimmte stilistische Vorgaben (wie „Anweisungen im Infinitiv“) sicher umgesetzt werden?
Dafür gibt es Qualitätssicherungstechnologien. Hier muss man zuerst unterscheiden zwischen diesen, die sich an Redakteure richten und jenen, die für Übersetzer bestimmt sind. QS-Technologien für Redakteure befassen sich mit einer einsprachigen Prüfung (i.d.R. der deutschen Sprache, aber auch der englischen und für einige Anbieter weiterer Sprachen) und verwenden dabei ausgereifte linguistische Algorithmen, die beispielsweise Wortart und Syntax erkennen können.
Bei den QS-Technologien für Übersetzungen geht es um einen Vergleich der Übersetzung mit dem Originaltext. Prüfmodule, die in das TM-System integriert sind, prüfen in der Regel den übersetzten Text auf Terminologie, Rechtschreibung und einige weitere Aspekte. Selbstständige Technologien wie das von D.O.G. seit dem Jahr 2003 entwickelte ErrorSpy können deutlich mehr und sind auch in der Lage mehrere Dokumentenformate sowie Translation-Memorys zu prüfen. Neben der Vielzahl eingebauter Prüfungen wie u. a. die Konsistenzprüfung können mit Hilfe regulärer Ausdrücke eigene Prüfungen definiert werden.
Angesichts der stark zunehmenden Arbeitsteilung und Modularisierung in der Technischen Dokumentation und bei Übersetzungen sind QS-Technologien heute ein Muss. Sie entbinden den Prüfer zwar nicht von seiner Verantwortung, den Text bzw. die Übersetzung durchzulesen, jedoch schaffen sie dafür die notwendigen Freiräume und liefern ihm eine Vielzahl von Fährten, um Fehlern auf die Spur zu kommen. Auf diese Möglichkeit zu verzichten ist keine Option Abkehr von der rein manuellen Qualitätssicherung mehr.