Prüfung von 100%-Matches

Der wahre Aufwand hinter 100%-Matches in Übersetzungsprojekten

Wer in der Übersetzungsbranche arbeitet, kennt die Diskussionen um faire Preise für 100%-Matches: Wie viel Arbeit steckt in der Übernahme dieser Matches aus einem Translation-Memory? Und was ist diese Arbeit wert? Aber fangen wir von vorne an. Was ist ein Match? Translation-Memorys bieten verschiedene Match-Kategorien, die mit unterschiedlichen Preisen vergütet werden. Ein Match ist ein Treffer: Der Satz im zu übersetzenden Text wurde bereits übersetzt und ist in der Datenbank gespeichert. Während für eine komplette Neuübersetzung ein voller Wortpreis angesetzt wird, fallen für 100-Prozent-Matches aus Translation-Memorys (TMs) in der Regel reduzierte Preise an. Doch welche Leistungen sollten durch den reduzierten Preis gedeckt sein? Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Funktionsweise von Translation-Memorys, beleuchtet die Anforderungen an die Kontextprüfung bei 100-Prozent-Matches und zeigt auf, warum selbst identische Segmente in manchen Fällen eine Anpassung erfordern.

Grundprinzipien von Translation-Memorys

Translation-Memorys sind spezialisierte Datenbanken, die Übersetzungen von Segmenten, in der Regel Sätzen, speichern. Das TM speichert Satzpaare: den Originalsatz und seine Übersetzung. TMs sind besonders nützlich für technische Übersetzungen oder ähnliche Texte, die oft standardisierte Formulierungen verwenden. Wenn ein neues Übersetzungsprojekt gestartet wird, durchsucht die Software die TM-Datenbank nach vorhandenen identischen oder ähnlichen Sätzen. Die Software findet Übereinstimmungen: 100%-Matches (exakt) oder Fuzzy-Matches (ähnlich).

100-Prozent-Matches entstehen, wenn der neue Satz exakt mit einem bereits übersetzten Satz in der TM-Datenbank übereinstimmt. In diesen Fällen übernimmt die Software den Satz automatisch in die Übersetzung. Fuzzy-Matches sind ähnliche, aber nicht identische Sätze. Beispiel: Werk in München statt Werk in Ludwigshafen im Satz “Die Produkte werden in unserem Werk in München hergestellt”. In solchen Fällen muss der Übersetzer oder Revisor den Satz anpassen, um die Unterschiede zu berücksichtigen. Diese Unterscheidung ist wichtig, da die Bearbeitungszeit für Fuzzy-Matches höher ist als für 100-Prozent-Matches, was zu einer unterschiedlichen Preisgestaltung führt. Über Fuzzy-Matches berichten wir in diesem Artikel ausführlich.

Übernahme und Bearbeitung von 100-Prozent-Matches

Man könnte meinen, dass die Übernahme von 100-Prozent-Matches aus einem Translation-Memory nur wenig Arbeitsaufwand mit sich bringt – schließlich handelt es sich um einen bereits übersetzten und geprüften Satz. Doch selbst identische Sätze bedürfen einer sorgfältigen Kontextprüfung.

Zunächst muss der Übersetzer den Satz im neuen Kontext lesen, um sicherzustellen, dass er inhaltlich passt. Technische Autoren arbeiten oft mit Redaktionssystemen und versuchen, möglichst viel von bereits vorhandenen Textbausteinen oder Informationseinheiten wiederzuverwenden. Dazu schreiben sie in kontrollierter Sprache, mit kurzen Sätzen und, wenn es geht, auch mit relativ allgemeinen Begriffen, z.B. Behälter anstatt Flasche oder Dose oder Pumpe statt Wasserpumpe. Das klappt natürlich nicht immer. Aber das kann dazu führen, dass in einem neuen Kontext, die Übersetzung bottle oder water pump, die in der ursprünglichen Übersetzung völlig korrekt war, im neuen Text nicht mehr stimmt.

Sprachen und Realitätsbetrachtung

Sprachen teilen die Realität unterschiedlich auf. Auch deshalb ist eine Kontextprüfung wichtig. Manche Begriffe sind in einer Sprache sehr allgemein gehalten, während andere Sprachen und Kulturen sie viel feiner aufteilen. Nehmen wir z.B. unsere westlichen Kulturen mit den vielen Messerarten, die allein in einer Küche vorkommen: Gemüsemesser, Brotmesser, Fleischmesser, Käsemesser usw. In China dagegen ist die Auswahl überschaubar. Was im Alltag oder bei Spezialthemen wie Institutionen, Infrastruktur, Recht gilt, kommt auch im technischen Bereich vor. Der deutsche Motor lässt sich im Englischen mit engine oder motor übersetzen, je nachdem, welche Energiequelle benutzt wird.

Bezugswörter und Verweise

Sätze gehören zu einem Text. Der Text ist die Einheit, nicht der einzelne Satz. Daher birgt quasi per Definition die Verwaltung und Wiederverwendung einzelner Sätze die Gefahr, dass etwas fehlt oder den neuen Verwendungskontext nicht berücksichtigt. Ein häufiger Fall sind die Bezüge zwischen einzelnen Sätzen, typischerweise mit Pronomen wie dieser, es usw. Die Übersetzung eines Satzes wie Ersetzen Sie es mit einem neuen darf auf gar keinem Fall ungeprüft in eine neue Übersetzung übernommen werden.

Und es gibt noch viele weitere Situationen, die eine Überprüfung von Übersetzungen aus einem TM vor der Übernahme rechtfertigen. Die kontextuelle Anpassung einer Übersetzung kann erforderlich sein, auch wenn das Translation-Memory den Satz exakt gleich liefert.

Sonderfall: Softwaretexte

Softwarelokalisierungsprojekte gehören zu den Projekttypen, mit denen Übersetzer regelmäßig zu tun haben. Der Benutzer einer Software legt Wert darauf, die Software in seiner Sprache zu bedienen. Er möchte die Dialoge, aber auch die Meldungen und die Online-Hilfe in seiner Sprache lesen. Dies ist auch deshalb wichtig, weil Missverständnisse bei der Auswahl von Optionen oder der Bedienung von Software zu Schäden führen können.

Diese Softwaretexte und insbesondere Oberflächentexte haben einige Besonderheiten. Eine Besonderheit ist die Kürze der Texte und die Vielfalt der grammatikalischen Kategorien (Verb, Adjektiv, Nomen…). Manchmal ist der Sinn eines Ausdrucks nur im Kontext des vollständigen Dialogs verständlich. Siehe z. B. den Ausdruck Nur aktive in der Abbildung unten.

Kontextabhängige Strings in einer Softwareoberfläche

Übersetzte Wörter werden im Translation-Memory gespeichert und können in zukünftigen Projekten wiederverwendet werden. Aber Vorsicht: Im nächsten Projekt kann es nötig sein, ein Adjektiv wie geschlossen in Sprachen wie Französisch oder Spanisch anders zu flektieren. Bezieht sich geöffnet auf ein Fenster (französisch: une fenêtre, weiblich), heißt die Übersetzung ouverte. Bezieht es sich aber auf ein Dokument (französisch: document) oder eine Datei (französisch: fichier), beides männlich, dann lautet die Übersetzung ouvert.

Layoutanpassung

Zusätzlich zur inhaltlichen Prüfung muss der Dienstleister auch formale Anforderungen wie das Layout und die Formatierung prüfen. Die Filter von Translation-Memory-Programmen sind zwar in der Regel leistungsstark, um Formatierungen zu erkennen, jedoch kann es auch hier gelegentlich zu Fehlern kommen, die eine manuelle Anpassung erforderlich machen.

Übersetzung, Übernahme von 100%-Matches und Post-Editing

Ein Punkt, der oft zu Diskussionen führt, ist die Frage, ob die Übernahme eines 100-Prozent-Matches zusätzlich zur Kontextprüfung auch bedeutet, dass eine Qualitätsprüfung oder ein Post-Editing durchgeführt wird. Hierbei ist es wichtig, zwischen einer kontextuellen Anpassung und einer tatsächlichen Korrektur oder Überarbeitung zu unterscheiden.

Ein 100-Prozent-Match bedeutet zwar eine identische Übereinstimmung des Ausgangssatzes, doch es garantiert nicht automatisch, dass der Satz perfekt im neuen Kontext passt oder gar qualitativ hochwertig ist. Allerdings basiert diese Kontextprüfung auf der Annahme, dass die im TM vorhandenen Übersetzungen schon geprüft worden sind und dass sie aus einem Dokument stammen, das übersetzt wurde und dessen Übersetzung abgenommen wurde.

Die Realität, die manchmal die Ursache für Diskussionen über eine faire Vergütung der 100%-Matches ist, ist dass nicht alle Unternehmen ein sicheres Qualitätssicherungsverfahren für Übersetzungen haben. Einige Unternehmen verlassen sich auf maschinelle Übersetzungen, und füllen damit ohne professionelles Post-Editing ihre Translation-Memorys. Oder sie importieren in ihre TMs Übersetzungen, die Dienstleister mit unterschiedlichen Qualifikationen geliefert haben. Das führt dazu, dass die Qualität der gespeicherten Segmente schwankt. Dies sind TMs, die nicht den erforderlichen Qualitätsstandards wie DIN ISO 17100 entsprechen. Solche minderwertigen Übersetzungen können bei der Übernahme in neuen Projekten zu Fehlern führen, die aufwändige Korrekturen erfordern.

Bei der Übernahme von 100-Prozent-Matches kann es also notwendig sein, mehr als nur eine Prüfung der Eignung im Kontext durchzuführen – ein Prozess, der auch als Post-Editing bezeichnet wird. Post-Editing geht über die kontextuelle Anpassung hinaus und beinhaltet die Überarbeitung und Korrektur fehlerhafter oder ungenauer Übersetzungen. Dies kann deutlich zeitintensiver sein und sollte daher auch entsprechend vergütet werden, um der erbrachten Leistung gerecht zu werden. Natürlich hat kein kundenorientierter Dienstleister etwas dagegen, gelegentlich etwas mehr zu tun als vereinbart und Fehler zu korrigieren, wenn sie auftreten. Erst wenn die Ausnahme zur Regel zu werden droht, muss das Thema grundsätzlich diskutiert werden.

Qualität und Anforderungen an Translation-Memorys

In der Regel erwartet man von einem Translation-Memory, dass es nur geprüfte und hochwertige Übersetzungen enthält. Oft wird hierfür das Vier-Augen-Prinzip angewendet, bei dem ein zweiter Revisor die Übersetzung prüft und gegebenenfalls verbessert. Das ist auch die Vorgabe der Qualitätsnorm DIN ISO 17100. Das garantiert, dass die Inhalte des Translation-Memorys hohen Qualitätsansprüchen gerecht werden und ohne Bedenken für zukünftige Projekte wiederverwendet werden können.

Schlussgedanken: Was ist fair?

Die ganze Diskussion um eine faire Vergütung für 100%-Matches lässt sich eigentlich mit einer TÜV-Inspektion vergleichen. Genau wie beim TÜV geht ein Übersetzer oder Revisor davon aus, dass das „Fahrzeug“ (die Übersetzung) grundsätzlich in Ordnung ist. Der TÜV-Prüfer (Übersetzer) kontrolliert, ob alles den Vorschriften entspricht und im aktuellen Zustand sicher ist. Niemand erwartet, dass der TÜV-Prüfer während der Prüfung größere Reparaturen durchführt (d. h. die Übersetzung aus dem TM korrigiert). Die TÜV-Gebühren basieren auf dieser Annahme und die Preise für 100 %-Matches basieren ebenfalls auf der Annahme, dass kein Post-Editing erforderlich ist.

Ein Auto muss regelmäßig zur Hauptuntersuchung, um langfristig sicher und funktionstüchtig zu bleiben; dasselbe gilt für ein TM, das regelmäßig geprüft werden muss, um gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. Ein geprüftes Fahrzeug und eine geprüfte Übersetzung bieten Sicherheit und beugen Schäden vor. Einen solchen „Prüf-Service“ bietet übrigens die D.O.G. GmbH.

Letztlich lohnt es sich immer, mit professionellen Dienstleistern zusammenzuarbeiten, die ihr Handwerk verstehen und über die nötigen Tools und Verfahren zur Qualitätssicherung verfügen. Die TÜV-Gebühr ist eine Investition in die Sicherheit des Fahrzeugs, während eine faire Vergütung für 100%-Matches eine Investition in die Qualität der Übersetzung darstellt. Langfristig zahlt sich diese Investition aus, da sie Fehler, Nachbesserungen und Missverständnisse vermeidet.

Kleines Glossar

Begriff Definition
100% Match (Full Match) Ein Satz im Translation-Memory (TM), der absolut identisch ist, einschließlich Formatierung.
Fuzzy Matches Ähnliche Sätze im TM mit kleinen Unterschieden (z. B. ein Wort anders); der Ähnlichkeitsgrad wird in Prozent angegeben (z. B. 85% Match).
No Match Kein ähnlicher Satz im TM vorhanden; der Satz muss komplett neu übersetzt werden.
Context Match In Trados Studio nicht standardmäßig; berücksichtigt durch Plugins oder Einstellungen den umliegenden Text zur Bewertung der Relevanz eines Matches.
Perfect Match Übereinstimmender Satz aus einem identischen Quelldokument, nicht aus dem TM, nützlich für Dokumentaktualisierungen.
Repetitions Erkannt innerhalb des aktuellen Dokuments; wiederholte Sätze werden als “Repetitions” markiert und können automatisch übersetzt werden.
Revision Gemäß ISO 17100 eine Qualitätskontrolle von Übersetzungen, die von einer anderen Person als der Übersetzerin oder dem Übersetzer durchgeführt wird; die Revisorin oder der Revisor vergleicht die Übersetzung mit dem Ausgangstext, um Fehler oder Unstimmigkeiten zu identifizieren.
Post-Editing Nach ISO 18587 eine besondere Form der Revision nach maschineller Übersetzung; umfasst die Korrektur von Fehlern und Unstimmigkeiten und die Anpassung des Textes an das Zielpublikum.
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