Was ist ein „Spiel“? Dieses bekannte Beispiel von Wittgenstein [1] zeigt sehr gut, wie wir täglich Wörter und Begriffe verwenden und davon ausgehen, dass alle einvernehmlich dasselbe darunter verstehen. Wenn man das Spiel mit dem „Spiel“ fortsetzt, entdeckt man auf einmal mit Schrecken, dass der Spielraum (wieder ein Wort mit „Spiel“) für Missverständnisse sehr groß ist. Und er macht vor dem Bereich Technische Dokumentation und Übersetzungen nicht halt.
Zum einen kommen dort anspruchsvolle Fachbegriffe wie „Inkohlungsgrad“ zum Einsatz, die ein Laie ohne Insiderkenntnisse oder gute Fachkenntnisse nicht verstehen kann. Das schließt auch Wörter aus dem Firmenjargon wie „Jägerschalter“ ein, die sich über Jahre in der Unternehmenssprache etabliert haben. Zum anderen gibt es aber auch die zahlreichen unscheinbaren Wörter, von denen viele annehmen, dass sie zu einfach sind, um erklärt werden zu müssen: „Leistung“ oder „Schalter“. Gerade solche Begriffe bilden bei der Bedienung eines Geräts oder bei der Übersetzung von Anleitungen eine erhebliche Fehlerquelle, weil sie viel Interpretationsspielraum zulassen.
Systematische Terminologiearbeit im Unternehmen
Abhilfe soll die Terminologiearbeit leisten. Üblich ist in der Dokumentationsbranche eine begriffsorientierte Terminologie, bei der nicht die Benennung, sondern der Begriff im Mittelpunkt steht. Für jeden Begriff (=Bedeutung) sammeln Terminologen die Benennungen, die diesen Begriff darstellen: „Auto“, „Automobil“, „Personenkraftwagen“, „Pkw“ usw. Dasselbe in Grün gilt für die Fremdsprachen. Manchmal ist jedoch der Begriff nicht in allen Sprachen deckungsgleich definiert. Die Terminologie soll diese Unterschiede in den betreffenden Sprachen berücksichtigen. Als Beispiel dient der deutsche Schweinbegriff, der im Englischen als „pork“ (beim Metzger) oder als „pig“ (lebendiges Tier) bekannt ist. In diesem Fall spricht man von Teiläquivalenz.
Aber woher weiß man, was ein Begriff bedeutet? Die spontane Antwort lautet oft: „Durch die Definition“. Das stimmt auch, aber nicht uneingeschränkt, wie wir sehen werden. Zuerst einmal stellt sich die Frage, wie man eine Definition formuliert und welche Eigenschaften des Begriffs man dabei hervorhebt. Terminologiebestände sind voller Definitionen, die nicht weiterhelfen: Halter = „Hält etwas fest“.
Vorlage für Definitionen erstellen
Wer eine Definition erstellen möchte, sollte versuchen, ein einheitliches Muster zu verwenden, damit alle Definitionen konsistent sind. Das Grundmuster sieht wie folgt aus:
(der Begriff ist ein) Oberbegriff + relevante Merkmale. |
Beispiel: (ein Mobiltelefon ist ein) tragbares Telefon, das über Funk mit dem Telefonnetz kommuniziert. (Wikipedia)
Semantische Merkmale des Begriffs heraussuchen
Um die Merkmale herauszuarbeiten, muss der Fachmann die Eigenschaften seines Begriffs auswählen, die für die Arbeit mit dem Begriff notwendig sind und diesen Begriff von verwandten Begriffen abgrenzen. Welche Merkmale relevant sind, hängt vom Thema und von der Aufgabe ab. Ein Ingenieur, ein Jurist oder ein Verkäufer legen auf unterschiedliche Produktmerkmale Wert, ohne dass es sich um einen anderen Begriff handelt. In größeren Organisationen, in denen Terminologie von verschiedenen Nutzergruppen verwendet wird, ist daher die Auswahl der Merkmale für die Begriffsdefinition ein Kompromiss, der vom Terminologiekreis ausgearbeitet wird.
Neben der reinen Definition sind auch die Quelle der Definition und möglichst eine Abbildung wichtig und nützlich. Ferner kann die Zuordnung zu einem Klassifikationssystem helfen, den Begriff besser zu verstehen.
Wir formulieren nur eine Definition pro Begriff und können sie nach Bedarf übersetzen. Falls eine Sprache den Begriff etwas anders auslegt, werden diese Informationen für die jeweilige Sprache als Kommentar erfasst. Nur so lassen sich globale Terminologiebestände aufbauen.
Typische Kontexte herausarbeiten
Trotz einheitlicher Definition gibt es jedoch verschiedene typische Verwendungssituationen für den Begriff: ein „Hammer“ als Arbeitsmittel oder als Produkt im Verkaufssortiment. Wie geht man mit dieser Situation um, ohne eine Vielzahl an Definitionen zu produzieren? Es erscheint ein bisschen wie die Quadratur des Kreises.
Diese Verwendungssituationen nennt man Frames (oder typischer Kontext), und es ist Aufgabe des Terminologen, sie zu erfassen und zu modellieren. Er kann sie mithilfe von (1) Kommentarfeldern, (2) Attributen und (3) Benennungsrelationen dokumentieren. So wird das englische Äquivalent „pig“ aus unserem obigen Begriff „Schwein“ mit den Begriffen „Metzger“ und „Restaurant“ verknüpft. KI-gesteuerte Prüfsoftware wie ErrorSpy benutzen die hinterlegten Relationen, um die richtige, d. h. kontextgerechte Übersetzung zu prüfen.
Gute Definitionen zu erstellen ist eine anspruchsvolle Arbeit, und diese Arbeit muss gelernt werden. Aber es lohnt sich. Wer das Thema vertiefen möchte, ist herzlichen eingeladen an unseren D.O.G.-Seminaren (Terminologie für Einsteiger und Terminologie für Fortgeschrittene) teilzunehmen. (Siehe unser Seminarprogramm auf: https://www.dog-gmbh.de/schulungen/)
[1] Wittgenstein, Ludwig (1953). Philosophical Investigations. G. E. M. Anscombe and R. Rhees (eds.), G. E. M. Anscombe (trans.), Oxford: Blackwell.