Wie wichtig Fachwissen ist, zeigt dieses Beispiel: „Schiebendes bewegliches Telefon mit Kamera.“ Solche extreme Beispiele sind jedem schon einmal begegnet. Professionelle Übersetzer schneiden besser ab, aber auch hier gibt es Unterschiede im Können und in der individuellen Qualifikation des Einzelnen.
Fachliche Korrektheit der Übersetzung als Hauptziel
Beim Übersetzen von Fachtexten kommt es in erster Linie darauf an, die Aussage des Textes fachlich korrekt in die Fremdsprache zu übertragen. Noch sehr verbreitet ist die Vorstellung, dass dazu lediglich gute Sprachkenntnisse und ein Fachwörterbuch erforderlich sind. Das führt dazu, dass allzu oft Übersetzer oder Lektoren eingesetzt werden, die nicht in der Lage sind, Sachverhalte zu verstehen oder Sinnfehler zu erkennen. Das Ergebnis: Falsche Übersetzungen, die teils gravierende Bedienungs- oder Behandlungsfehler verursachen können, ohne von Gefahren für Personen, Maschinen oder vom Image-Schaden zu sprechen. Zwar kommen bei erfahrenen Übersetzern selten inhaltliche Fehler vor, aber wenn es der Fall ist, dann können sie schwerwiegend sein.
Anforderungen an das Fachwissen des Übersetzers
Von einigen Ausnahmen abgesehen, kann man von einem Übersetzer nicht erwarten, dass er auf gleichem Niveau sowohl Sprachmittler als auch Ingenieur, Arzt, Jurist oder Chemiker ist. Die Tatsache, dass Fachtexte zunehmend mehrere Fachgebiete betreffen, etwa Medizin und Pharmakologie, Maschinenbau und Materialkunde, Recht und Finanzen usw., macht die Aufgabe nicht leichter.
Wieviel Fachwissen ist erforderlich, um am Ende fachlich korrekte Übersetzungen zu produzieren und welche Hilfsmittel kann man dem Übersetzer geben, um fehlende Fachkenntnisse zu kompensieren?
Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir verstehen, wodurch bei Übersetzern Sinnfehler entstehen können. Fangen wir mit den Fachbegriffen an. Von einem gut übersetzten Fachtext wird erwartet, dass er die „richtigen“ Fachwörter enthält. Was „richtig“ ist, ist z. T. eine Frage der Betrachtung (was ist besser, „Backup“ oder „Datensicherung“?), aber es hat auch mit Fachwissen zu tun. Wörterbücher bieten oft mehrere Übersetzungsalternativen wie „asset“ = „Vermögenswert“, „Aktivposten“ oder „Gewinn„, die nur mit entsprechenden Fachkenntnissen oder mit Verständnis des Zusammenhangs richtig gewählt werden können.
Terminologielücke überbrücken
Es ist nicht außergewöhnlich, dass es in der Fremdsprache keine genaue Entsprechung für den Begriff der Ausgangssprache gibt. Die Begriffswelt stimmt nicht in jeder Sprache oder jedem Fachgebiet vollständig überein. So können die zur Verfügung stehenden Übersetzungen eine breitere oder eine engere Bedeutung haben, die der Übersetzer u. U. durch weitere sprachliche Mittel berichtigen soll (Beispiel: [Deutsch] „herunterladen“ = [Französisch] „télécharger“ ergänzt bei Bedarf durch „en aval„). Das hat teils kulturelle Gründe, liegt aber auch teils daran, dass Sprachen Fachgebiete unterschiedlich ordnen. Wenn die Sprachen (z. B. Chinesisch und Deutsch) oder die Themen (z. B. Rechtssystem) sehr verschieden sind, muss der Übersetzer sein ganzes Können einbringen, um die inhaltlichen Unterschiede zu überbrücken. Ohne entsprechende Fachkenntnisse wird er das kaum erfolgreich bewältigen können. Wie soll er bspw. sonst zwischen „Garantie“ und „Gewährleistung“ sowie „guarantee“ und „warranty“ unterscheiden?
„Ich hab keine ‚voll-kraß-Stealth‘ Firewall, die unmotiviert ICMP oder sonstige Pakete dropped„. Diesen kleinen Diskussionsbeitrag wird zwar jeder Firmenadministrator ohne Weiteres verstehen, der Beitrag zeigt aber, dass Fachtexte oft Fachjargon oder Abkürzungen wie „ASP“ (für „Application Service Provider„, „Active Server Pages„, „Asparaginsäure“ oder einfach „Außenspiegel“) enthalten, die ohne Hintergrundwissen missdeutet werden können.
Übersetzungsgerecht schreiben
Regelmäßig ist in Fachvorträgen oder Artikeln von übersetzungsgerechtem Schreiben die Rede. Viele Autoren halten sich nicht daran und verursachen dadurch Falschübersetzungen bei Übersetzern, die den Kontext nicht verstehen oder haben. Ein Beispiel dafür ist die Abstraktion durch Verwendung eines Oberbegriffs anstelle der genauen Bezeichnung des Gegenstands oder der Handlung. So würde ein Übersetzer ohne weitere Informationen nicht immer erkennen, dass im Satz „Die Anlage ist betriebsbereit“ unter „Anlage“ eigentlich eine „Abluftanlage“ gemeint ist und daher mit „(exhaust air) system“ statt „equipment„, „plant“ oder „facility“ zu übersetzen ist. Diese Situation ist umso wichtiger, als Übersetzer oft nur kontextarme Auszüge aus Dokumenten übersetzen. Der Rest kommt aus bereits übersetzten Texten aus Redaktionssystemen und/oder aus Translation-Memorys.
Produkt- oder firmenspezifisches Wissen
Ein weiterer Anwendungsfall für das Fachwissen des Übersetzers ist die richtige Deutung von Aussagen, die auf implizitem Wissen beruhen. Der Autor setzt bestimmte Kenntnisse vom Leser voraus und erwartet, dass er die Aussage ohne weitere Erläuterung richtig versteht. Die fehlenden Informationen können sich auf Fachwissen im Allgemeinen oder auf spezifische Informationen zum beschriebenen Produkt oder Verfahren beziehen. So kann eine Überschrift wie „Gerät mit Windmesser abschalten“ schnell missverstanden werden, wenn man das Wissen nicht hat, um das Bezugswort von „Windmesser“ zu erkennen. Dieses fehlende Wissen kann sich beispielsweise auf Zusammenhänge zwischen Komponenten, auf die Position von Maschinen in Anlagen oder auf bestimmte Verfahren beziehen. Es kann sich auch um produkt- oder firmenspezifisches Wissen handeln.
Schließlich ist Fachwissen für die Suche nach weiteren Informationen durch den Übersetzer wichtig. Ohne grundlegendes Verständnis des Fachgebiets ist der Übersetzer nicht in der Lage, die benötigten Informationen im Referenzmaterial oder bei öffentlichen Quellen richtig zu finden und zu deuten.
Anforderung an die Übersetzerqualifikation
Was lässt sich unternehmen, um fachwissenbezogene Fehler zu vermeiden? Als erster Punkt gilt natürlich die Auswahl der Übersetzer bzw. des Übersetzungsdienstleisters mit entsprechendem Knowhow, wie es übrigens die europäische DIN EN 17100 genau beschreibt.
Dann kann man dem Übersetzer Referenzmaterial geben, in dem er Erläuterungen zu den wichtigsten Begriffen finden kann. Das gilt u. a. für Begriffe, die ohne Kontextinformationen schwer zu verstehen sind. Zum Referenzmaterial gehören frühere Übersetzungen (in den beiden Sprachen), Translation-Memorys, Grundsatzartikel, Internet-Quellen oder auch Bilder, Grafiken, Pläne. Wenn es sich einrichten lässt, ist eine Einweisung vor Ort optimal.
Terminologiedatenbank und Projektmanagement
Ferner kann eine Terminologie sehr nützlich sein, v. a. wenn sie mit weiteren Informationen wie Definitionen, Kontextbeispielen oder Bildern angereichert ist.
Neben diesen Hilfsmitteln spielen die Projektorganisation und die Infrastruktur des Dienstleisters eine entscheidende Rolle. Es ist zuerst einmal wichtig, einen Ansprechpartner für fachliche Rückfragen zu haben. Ferner kommt der Revision eine große Bedeutung zu. Ein erfahrener Dienstleister wird beispielsweise Kriterien für die Auswahl des Übersetzers haben und bei seinem Qualitätssicherungsverfahren etwa durch entsprechende Schulungen und Checklisten ein besonderes Augenmerk auf Verständnisfehler richten. Der Lektor soll über ausreichende Firmen- und Produktkenntnisse verfügen, um inhaltliche Fehler zu erkennen. Hier sind langjährige Beziehungen zwischen Auftraggeber und Dienstleister von Vorteil, denn Wissen wächst über die Jahre und die Anzahl der abgewickelten Projekte. Dienstleister, die mehrsprachig arbeiten, können dabei die Erfahrung von einer Sprache auf die anderen Sprachen übertragen.
Einen vollständigen Schutz gegen Verständnisfehler gibt es nicht. Aber einige vernünftige Schritte wie die Erstellung übersetzungsgerechter Texte, der Aufbau einer informationsreichen Terminologie sowie eine langfristige Zusammenarbeit mit einem Lieferanten mit erfahrenen Ressourcen und geeigneten Prüfverfahren bringen bereits eine größere Sicherheit.